Ein grundsätzliches Problem von Kieferorthopädiepatienten
Die besten Geschichten schreibt noch immer der Behandlungsalltag und daraus können dann auch andere Patienten ihre Schlüsse ziehen.
So, wie aus dieser Geschichte.
Der Patient, davon muss man ausgehen, hat Beschwerden.
Sonst hätte er kaum einen Behandlungstermin abgesprochen.
Nun erfolgt eine Absage, mit dem Argument, er müsse seine Zahnspange noch weiter tragen.
Was kann man aus diesen wenigen Angaben schließen?
Eine ganze Menge.
Wir wissen also aus den Angaben des Patienten, dass sich dieser in einer laufenden kieferorthopädischen Behandlung befindet. Zudem wissen wir, dass der Patient an Beschwerden leidet, denn sonst hätte er kaum einen Termin vereinbart. In der Tat liegt, angesichts dieser verfügbaren Erkenntnisse, der Verdacht nahe, dass es zwischen der kieferorthopädischen Behandlung und den vorhandenen Beschwerden des Patienten einen Zusammenhang geben könnte, wie dies nicht immer, aber doch regelmäßig der Fall ist.
Und fragt man sich natürlich, wenn das so ist, welchen Sinn sollte es dann haben, diese kieferorthopädische Behandlung weiter fortzuführen? Heißt konkret, ist davon auszugehen, wenn man einmal davon ausgeht, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen der kieferorthopädischen Behandlung und den vorliegenden Beschwerden gibt, dass sich dieser kausale Zusammenhang durch eine weitere Behandlung mit Zahnspangen lösen ließe?
Davon ist unter logischen Gesichtspunkten kaum auszugehen, denn welchen Sinn sollte es haben im Laufe einer Behandlung Beschwerden erst zuzulassen, die dann im weiteren Verlauf der Behandlung durch die selbe Behandlung wieder wegtherapiert werden sollten?
Die Behandlungsrealität in diesen Fällen ist zudem eine vollkommen andere.
Sinn einer funktionsdiagnostischer Untersuchung in einem derartigen Fall wäre es nachzuweisen, ob es einen kausalen Zusammenhang zwischen Störungen der Okklusion und den vorhandenen Beschwerden gibt.
Ob es dann wiederum einen kausalen Zusammenhang zwischen der erfolgten kieferorthopädischen Behandlung und den vorliegenden Beschwerden gibt, ist zu vermuten, aber nur selten zu beweisen.
Die einzig verlässliche Aussage, die man in einem derartigen Fall dann mit Sicherheit treffen kann ist die, dass es zumindest mit der erfolgten kieferorthopädischen Behandlung nicht möglich war die funktionellen Beschwerden des Patienten zu therapieren, wenn der Nachweis gelingt, dass es sich um funktionelle Beschwerden handelt.
Wenn im Verlauf der kieferorthopädischen Behandlung funktionelle Beschwerden entstehen, die der Patient vor der Behandlung nicht hatte, kann man sich zumindest seinen Teil denken.
Wenn es aber nun mit einer funktionsdiagnostischen Untersuchungen gelingt die Kausalität zwischen Störungen der Okklusion und funktionellen Beschwerden des Patienten nachzuweisen, dann allerdings hat dieser Patient ein Problem, denn man muss davon ausgehen, dass es der Sinn der kieferorthopädischen Behandlung war Zahnstellungen und damit auch die Okklusion unter bestimmten Vorgaben zu verändern. Zumeist sind es ja ästhetische Optimierungen, die das Ziel der Behandlung darstellen.
Das Problem kieferorthopädischer Behandlung besteht aber darin, dass hier Zähne oftmals in bestimmte Stellungen auf dem Kieferkamm gebracht werden, die zwar optisch ansprechender sind, als der Istzustand, aber eben häufig nicht physiologisch sind.
Ganz deutlich erkennbar ist das selbst für einen Laien immer dann, wenn ein Patient mit so genannten Dauerretainern versorgt wird.
Aus diesem Grund ist in diesen Fällen dann immer, nach erfolgter funktionsdiagnostischer Untersuchung, einer der ersten therapeutischen Ansätze der, diese Dauerretainer zu entfernen, um den Zähnen die Wiedereinstellung einer physiologische Position auf dem Kieferkamm zu ermöglichen.
Das aber konterkariert natürlich alle Bemühungen des Kieferorthopäden die Zähne dahin zu stellen, wo diese möglichst gut aussehen sollen.
Insofern ist es unlogisch, wenn es im Verlauf einer kieferorthopädischen Behandlung zu funktionellen Beschwerden kommt diese Behandlung weiterzuführen, weil davon auszugehen ist, dass die funktionellen Beschwerden durch die Weiterbehandlung nicht beseitigt, sondern noch verstärkt werden, gleichzeitig aber durch das Fortführen der kieferorthopädischen Behandlung immer noch weitere ungünstige Veränderungen von Zahnstellungen und damit der Okklusion erfolgen, die dann hinterher, im Rahmen einer korrigierenden Funktionstherapie mit immer mehr Aufwand wieder zurück geführt werden müssen.
Wenn man das in diesen Fällen auf den Punkt bringen will, dann erkauft sowohl der Kieferorthopäde, als auch der Patient eine in aller Regel bessere ästhetische Wirkung der Zähne mit zunehmenden funktionellen Störungen der Okklusion, die in diesen Fällen dann zu erheblichen Beschwerdebildern führen und damit natürlich zu noch einmal weiteren Kosten, neben der Kosten der bereits durchgeführten kieferorthopädischen Behandlung.
Natürlich wäre es möglich vor einer kieferorthopädischen Behandlung herauszufinden, ob der fragliche Patient für funktionelle Störungen empfänglich ist.
Das aber wird systematisch nicht gemacht, weil es zum einen besondere Kenntnisse erfordern würde und zum anderen viele kieferorthopädische Behandlungen dann gar nicht erst zustande kommen würden, wenn der Patient schon vorher darauf hingewiesen werden müsste, dass er ein möglicher Problempatient sein könnte.
Insofern ist immer wieder aufs Neue die Feststellung zu treffen, dass es zwar regelmäßig vorkommt, dass Patienten im Verlauf kieferorthopädischer Behandlungen funktionelle Beschwerdebilder entwickeln, zumindest dem Verfasser dieses BLOGs aber kein einziger Fall bekannt wäre, in dem ein nachgewiesener CMD Patient durch eine kieferorthopädische Behandlung dauerhaft Linderung seiner Beschwerden erfahren hätte.