Eine 72 Jahre alte, ehemalige Lehrerin aus Bremerhaven führt uns richtig vor und warum wir darüber berichten?
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Es beginnt alle nicht nur normal, sondern die Mitarbeiterin hat einen richtig netten Eindruck von der alten Dame, die sich heute zur Untersuchung vorstellt.
Nach der ersten Inspektion ergeben sich allerdings erste Fragen, denn die Patientin hat weder oben noch unten eine Seitenzahnverzahnung, die zu einer okklusalen Abstützung führen könnte. Man könnte sagen: Patientin zieht im Backenzahnbereich "blank".
Es bestehen also ausschließlich Kontakte auf den Frontzähnen, die allesamt vorhanden sind.
Es beginnen nun die ersten Untersuchungen und dann auch das Anamnesegespräch.
Hier wird relativ schnell deutlich, dass die Patientin gar nicht richtig untersucht werden möchte, sondern eine implantatgestützte Versorgung anstrebt.
So weit so gut, da aber praktisch nichts mehr im Mund ist, was einen Biss ausmacht, deckt sich die vereinbarte Untersuchung mit dem Wunsch der Patientin.
Das Anamnesegespräch verläuft schleppend, weil die Patientin recht schnell klar gestellt haben möchte, dass sie die möglicherweise notwendigen Implantate von einem Kieferchirurgen in Braunschweig gesetzt haben möchte.
Auch das, nicht zwangsläufig ein Problem. Derartige Überlegungen kommen aber erst am Ende einer zahnärztlichen Funktionsdiagnostik im Übergang zur Funktionstherapie auf. Wir stehen im Moment aber ganz am Beginn dieser Untersuchungen.
Der erste, merkwürdige Eindruck entsteht nun, als die Patientin erklärt, sie wolle dann Modelle haben, auf denen man ganz genau erkennen könne, was denn da am Ende alles gemacht werden müsste und noch mehr, wir hier in Kiel sollten für den Kieferchirurgen in Braunschweig dann auch gleich eine Bohrschablone anfertigen, damit dieser ihr dann auch die Implantate so setzen könne, das die darauf zu errichtenden Kronen ihren Biss richtig herstellen würden.
Hier kommt es nun wieder zu einem Gespräch, weil sich diese Vorstellungen der Patientin, bereits jetzt erkennbar, so nicht werden umsetzen lassen, denn jeder halbwegs normale Kieferchirurg wird nicht auf der Grundlage einer anderswo gefertigten Bohrschablone in den Kiefer hinein bohren, wenn er nicht selbst genau weiß wo und wie tief diese Bohrungen mit dieser Schablone in den Kieferknochen hinein führen werden. Das heißt, er wird diese Bohrschablone selbst herstellen wollen und müssen. Schließlich trägt er auch haftungsrechtlich die Verantwortung.
So langsam beginnen jetzt ernsthafte Zweifel an den Angaben und Vorstellungen der Patientin. In derartigen Fällen ebenso sicher, wie das Amen in der Kirche: Die Patientin artikuliert, dass man nicht genügend auf die Individualität ihres Falles eingehen würde.
Aber, es geht noch weiter. Verlangt die Patientin doch nun auf einmal der Behandler in Kiel solle ihr doch bitte Vorkontakte an den Frontzähnen entfernen.
Der Hinweis, dass das ein therapeutischer Eingriff sei, der erst einmal eine Diagnostik voraussetzt, wird von der Patientin mit offensiv geäußertem Unverständnis aufgenommen. Immerhin würde ihr Unterkiefer durch diesen Vorkontakt nach hinten geschoben.
Das ist auch zweifelsohne so und wird der Patientin an einem Schaumodell erklärt.
Normalerweise hat man auf den Fronzähnen keine Kontakte, weil der Biss über die Kontakte auf den Seitenzähnen abgestützt wird. Hat man aber keine Seitenzähne, so wie diese Patientin, hat man zwangsläufig nur noch Kontakte auf den Frontzähnen, die dann wiederum, ausgehend von den schiefen Ebenen der Oberkieferfrontzahnpalatinalflächen zu einem Rückgleiten des Unterkiefers und damit zu einer Kompression der Kiefergelenke führen.
Also, das, was die Patientin beschreibt erscheint zwar alles nachvollziehbar, nur werden hier Ursache und Wirkung vertauscht. Das Problem der vermeintlichen Vorkontakte an einem Frontzahn ist nicht dadurch zu lösen, in dem man den Frontzahn abschleift, wie hier gewünscht, sondern indem man, dort wo keine Seitenzähne vorhanden sind Seitenzähne hinstellt, oder aber erst einmal einen Kunststoffwall, der Seitenzähne imitiert, wie das mit dem geplanten Aufbissbehelf geschehen sollte.
Das will die Patientin aber nicht. Es entsteht dann eine gewisse Ratlosigkeit, weil sich immer mehr heraus kristallisiert, dass die Patientin bestimmte Vorstellungen hat, die immer wieder darin münden, man möge ihr mindestens einen Frontzahn abschleifen, was selbstverständlich nicht nur vollkommen abwegig ist, sondern darüber hinaus auch noch eine vorsätzliche Körperverletzung darstellen würde, denn man schleift dort ohne jede medizinische Indikation etwas von einem erhaltungswürdigen Zahn weg.
Das Problem ist aber vielmehr, dass die Patientin nicht nur unbelehrbar ist, sondern sich immer mehr dazu versteigt, so habe sie sich die Behandlung nicht vorgestellt. Jeglicher Hinweis, wir befänden uns hier in einer Diagnostik wird von der Patientin mit Unwillen quittiert.
Das Problem in derartigen Fällen besteht oftmals auch noch darin, dass diese Leute derart verquerte Ideen und Vorstellung haben, dass man als Arzt auf der Hut sein muss hier nicht auch noch einen schweren Behandlungsfehler, im Sinne einer Straftat, zu begehen. Entgegen landläufiger Meinung wird nämlich eine vorsätzliche Körperverletzung nicht dadurch zu einem ärztlichen Eingriff mit Billigung des Patienten, wenn der Patient die Maßnahme selbst fordert, dem Arzt aber klar ist, oder zumindest sein müsste, dass diese Behandlungsmaßnahme gegen jede vertretbare Auslegung ärztlichen Handelns verstößt. Nicht der Patient steht hinterher vor einem Richter, sondern der Arzt, der es getan hat, was er nicht hätte tun dürfen. Anders ausgedrückt: Ein Patient ist rechtlich gar nicht in der Lage einen Arzt von seinen Pflichten zu entbinden.
Und genau das lag hier eben auch vor, wenn eine 72 jährige Patientin die Forderung aufstellt der Arzt möge die Frontzähne einschleifen, weil diese stören würden, dabei sind in diesem Fall die Frontzähne überhaupt die einzigen Zähne, die noch vorhanden sind.
Dabei wird immer deutlicher, dass die Patientin gar nicht wissen will, was man tun müsste, um diesen Fall zu lösen, sondern offensichtlich die Vorstellung hat hier würde man im Handumdrehen ein Behandlungskonzept entwickeln, mit dem die Patientin dann ihren Kieferchirurgen in Braunschweig und wen auch immer noch nachfolgend mit der Etablierung eines festsitzenden Zahnersatzes beauftragen könne.
Es soll hier nicht verschwiegen werden, dass es da im Weiteren zu einer Meinungsverschiedenheit darüber kommt, was denn nun eigentlich der vereinbarte Sinn dieses mehrtägigen Termins gewesen sein sollte, denn selbstverständlich wollte auch diese Patientin im Vorwege wissen, wozu sie hier für drei Tage nach Kiel kommt.
Am Ende bleibt leider das Bild einer 72 jährigen, die am Ende erklärt, man habe ihr schon vor zwei Jahren die Seitenzähne entfernt, aber sie hätte keine abstützende Versorgung im Seitenzahngebiet haben wollen, sich aber gleichzeitig darüber beschwert, das sie ja nun nur noch Kontakte auf den Frontzähnen hätte, dort wären Vorkontakte, die nunmehr vom Zahnarzt entfernt werden müssten. Also, von dem hier in Kiel, jetzt sofort und ohne Widerrede.
Dabei steht eines fest: Vorkontakte in der Front können überhaupt nur dann Vorkontakte sein, wenn die Bissabstützung im Seitenzahnbereich durch eigene Zähne oder Zahnersatz erfolgt. Eigene Zähne aber hat sie nicht mehr und Zahnersatz ist auch keiner vorhanden. Also kann es auch keine Vorkontakte in der Front geben.
Letzten Endes sieht man wo die Patientin mit ihrer Vorgehensweise heute steht. Hinzu kommt, dass das alles letztendlich allein das Problem der Patientin ist, und wenn man das vermuten darf, wird es zumindest zahnärztlich betrachtet auch noch weiter nach unten gehen und das im sprichwörtlichen Sinne des Wortes, wenn man die noch verbliebenen Frontzähne immer mehr einschleift, bis sich am Ende die Kieferknochen brühren. Vor allem dann, wenn man das tut, was die Patientin will.
Was aber ärgerlich ist, dass wir uns für eine derartige Frau drei Tage lang Zeit vorhalten und die Patientin ganz genau wusste, was in diesen drei Tagen gemacht werden soll, aber dann, weil sie relativ schnell merkte, dass wir nicht bereit sind, mal schnell Frontzähne, nach ihren Wünschen und Vorstellungen abzuschleifen, wie weit auch immer, und zudem auch noch erklärten keine Bohrschablone für einen Kieferchirurgen in Braunschweig herstellen zu wollen, weil das schlichtweg nicht möglich ist, dann auf einmal erklärte, wenn wir nicht bereit seien die Behandlungen so durchzuführen, wie sie sich das vorstellt, dann die Untersuchungen einfach abzubrechen.
Gleichsam wird immer vergessen, dass das Arzt-Patienten-Verhältnis ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis ist.
Auch der Arzt muss seinem Patienten vertrauen, auch wenn dieser das erste Mal zur Behandlung erscheint.
In diese Fällen beschleicht einen meist nach einer gewissen Zeit der Eindruck, dass diese Patienten sich nicht spontan für derartige Verhaltensweisen entscheiden, sondern schon, vielleicht nicht mit dem festen, aber sehr wohl einem bedingten Vorsatz in das Behandlungsverhältnis gehen, sich den einseitigen Bruch des Behandlungsverhältnisses vorzubehalten, wenn der Arzt nicht bereit ist zu tun, was der Patient will.
Natürlich zum Nachteil des Arztes, der sich nicht nur die Zeit, sondern auch die Konzentration für diese Patientin vorbehalten hat.
Derartige Vorkommnisse hat es früher überhaupt nicht gegeben. Sie sind heute nicht an der Tagesordnung aber werden immer mehr zu regelmäßigen Ereignissen und dabei kann man dieses Verhalten nicht einmal an einem bestimmten Alter oder anderweitigen Umständen fest machen, die man vielleicht noch hätte vorher sehen oder gar erkennen können.
Wir bekommen in diesen Fällen immer mehr eine Mentalität zu sehen, wie sie früher im Einzelhandel zu beobachten war.
Man geht ins Fachgeschäft, lässt sich dort beraten und kauft dann hinterher im Mediamarkt für 5,-€ billiger und der Fachhändler fragt sich, wozu er die ganze Zeit die Leute beraten hat.
Hier geht die Idee nun noch einen Schritt weiter.
Der spezialisierte Behandler in Kiel, soll sich Gedanken über eine Lösung des Falles machen, dem Patienten das alles „laienhaft“ verständlich aufschreiben, zudem die Vorbereitungsarbeiten erledigen, für die es wenig Geld gibt, und dann geht s mit diesen gesammelten Erkenntnissen zum Zahnarzt um die Ecke, der das dann umsetzen soll. Vermutlich auch für wenig Geld.
Das scheint die Logik in diesen Fällen zu sein. Zumindest für diese Patienten.
Wir erleben hier nur einmal mehr eine Mentalität, die sich in allen Bereichen unseres gesellschaftlichen Lebens breit macht und inzwischen auch bei uns für Verdruss sorgt.
Dass das übrigens fachlich so nicht funktioniert sei nur am Rande erwähnt. Selbstverständlich sind natürlich immer in derartigen Fällen die Vorbehandler schuld am aktuellen Zustand der Patientin, oder aber in diesem Fall die „bröckeligen Zähne“, von denen die Patientin berichtet.
Dass es auch keinen Sinn macht zu glauben, man spräche am Besten über derartige Dinge nicht, und dann regele sich das schon von alleine, hat sich hier inzwischen ebenfalls verfestigt.
Warum wir dann sogar offensiv über derartige Fälle berichten?
Weil wir solche Leute hier nicht wollen und hoffen, dass die, die sich angesprochen fühlen davon absehen hier nach Kiel zu kommen.
Und deshalb berichten wir auch ganz freimütig, nachdem die Patientin ja im Hinausgehen noch keck entgegnete, dass sie natürlich nichts bezahlen würden:
Im Zweifelsfall werden wir einklagen, was vereinbart war, um auch noch den Letzten dieser wirklich unseligen Zeitgenossen abzuschrecken.
Wir machen unsere Arbeit wirklich gerne, aber wir bekennen auch ganz freimütig, dass für uns derartige Patienten immer mehr ein Hindernis in unserer Arbeitsauffassung und Arbeitsdurchführung darstellen.
Dass man dann von einer 72-jährigen Lehrerin, die ihr ganzes Berufsleben damit verbracht hat anderen etwas beizubringen erwartet, dass diese nunmehr eben so bereit ist, sich etwas anzueignen, ist sicherlich keine überzogene Forderung.