Hamburger Patient zur Besprechung
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Es gibt vier Fälle in dieser Praxis, die aus allem, was man sonst über Jahrzehnte hinweg erlebt hat, heraus stechen.
- Der Fall eines Patienten, bei dem wir seinerzeit, nach einer umfangreichen Rekonstruktion den Verdacht eines Tumors im Bereich der Hirnanhangdrüse hatten, weil sich auf einmal die Bissverhältnisse massiv veränderten. Dieser Verdacht konnte nie bestätigt werden, der Patient ist inzwischen unter nicht ganz klaren Umständen an einer Krankenhausinfektion verstorben.
- Der Fall eines Patienten, bei dem man das Gefühl hatte dieser sei allergisch gegen seine eigenen Zähne.
- Der Fall einer Patientin mit Schmerzen im Oberkieferalveolarknochen, der trotz mehrfacher operativer Eingriffe nicht geklärt werden konnte und der Verdacht einer möglichen SchwermetallIntoxikation bestanden, der aber auch nie geklärt werden konnte. Berufsgenossenschaftsfälle sind immer besndere Fälle.
- Der Fall dieses Patienten, bei dem es zu deutlich sichtbaren Änderungen der Bisslage kommt, aber nicht insgesamt Unterkiefer zu Oberkiefer, sondern nur in Teilen, vermutlich des Unterkiefers. Dies ist der aktuelle Fall.
Nun ist all diesen Fällen gemeinsam, dass man die Schlagzahl in der Überprüfung der Okklusion derartiger Fälle intensiviert und das auch modelltechnisch unterlegt. Das kann man nicht beliebig häufig machen, weil es mit erheblichen Kosten verbunden ist.
Was man sagen kann: Das absolute Gros der Fälle, und das sind hunderte, läuft über viele Jahre hinweg komplikationslos.
Es gibt aber Fälle, wir sprechen hier von einem Promillebereich der Gesamtfälle, also unter einem Prozent, da laufen Dinge ab, für die es keine schlüssige Erklärung gibt und weil das so ist, bleibt einem nichts anderes übrig, als immer an der Okklusion dran zu bleiben, zu prüfen, zu kontrollieren und gegebenenfalls zu korrigieren.
Man hat Verdachtsmomente, die man aber nicht zu belegen vermag. Man weiß noch nicht einmal, ob die Dinge, die hier in wenigen Fällen ablaufen, bei Patienten, die nicht an einer CMD erkrankt sind ganz häufig ablaufen und nur deshalb nicht auffallen, weil Nicht-CMD-Patienten eben keine erhöhte Sensibilität im Bereich der Okklusion besitzen.
Studien gibt es hier zu nicht und wird es übrigens auch nie geben, denn wer untersucht schon aufwändig Patienten, die keine Beschwerden haben?
Das ist überhaupt ein Problem, über das sich Viele nicht bewusst sind. Es gibt nur wenige Sachverhalte in der Medizin, die durch Untersuchungen und Studien belegt sind und daran wird sich auch nichts ändern, weil nachvollziehbarerweise immer nur die Fälle ins Auge fallen, bei denen etwas symptomatisch auffällig ist. Ob diese 'Auffälligkeit aber vielleicht bei ganz vielen anderen Individuen ebenfalls besteht, die darauf aber vielleicht nur nicht subjewktiv mit Beschwerden reagieren, weiß Niemand, weil das bedeuten würde, das man permanent die Menschheit screenen müsste und dabei noch nicht einmal genau sagen könnte, worauf eigentlich.
Man kommt letztendlich zu dem Ergebnis, wie es eben in Wirklichkeit auch ist: Wir können mit einem Höchstmaß an Präzision arbeiten, um eine Okklusion einzustellen, und schaffen es belegbar auch das absolute Gros der Patienten damit zufrieden zu stellen.
Es gibt aber einfach Patienten, bei denen laufen intrinsische Vorgänge ab, die von außen nicht zu erkennen und noch weniger zu steuern sind und das liegt dann nicht daran, dass der Arzt etwas falsch macht, sondern dass wir auf derartige Probleme schlichtweg keine Antwort haben und nichts anderes übrig bleibt, als dauernd dran zu bleiben und gegebenenfalls behandlerisch nachzuführen.
Der Mensch ist eben keine Puppe aus Holz, an der man mal hier was wegschleift und dort was anfügt und dann läuft alles wie geschmiert, sondern der Mensch ist ein biologisches System, das agiert und reagiert und zwar nach Kriterien, die wir nicht zu erkennen und aufzuschlüsseln in der Lage sind. Das sei hier auch einmal angesprochen: Ein Bild, das gerade Rechtsanwälte gerne pflegen, die in Gutachterverfahren so tun, als stecke der Patient zur Behandlung in einem Schraubstock und der Arzt müsse nur genügend lange an dem Werkstück herum arbeiten, dann müsse alle passen und laufen, wie geschmiert. Dabei ist es gerade die Aufgabe von Gutachtern darzulegen, dass die zum Teil naiven Vorstellungen, das heute in der Medizin alles möglich sei, Illusionen sind, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben.
Bei allem, was der Arzt tut, kommt es im Körper des Patienten zu einer Reaktion. Diese läuft meistens ab, wie aus vielen anderen Fällen bekannt, aber eben auch nicht immer, so wie es nichts in der Natur gibt, das abläuft wie immer.
Und das muss man in diesen Fällen sowohl sich selbst, als auch gelegentlich seinen Patienten vor Augen halten, die heute gerne glauben möchten, alles sei in der Medizin machbar und jedes Geheimnis gelüftet. Und das Ganze dann natürlich auch noch zu "Geiz ist geil" Preisen, denn der Patient ist ja nicht "blöd".
Dem ist nicht so und jeder älter und erfahrener der Arzt wird, umso mehr wird ihm dies bewusst. Vor allem dann, wenn er über Jahrzehnte erlebt, dass bestimmte Verfahren regelmäßig zu guten Behandlungserfolgen führen, nur eben nicht in diesen wenigen Fällen.
Dass es dabei ganz unwahrscheinlich ist, dass der Behandler immer nur dann einen schwarzen Tag hat, wenn besagter Promillepatient das Behandlungszimmer betritt, ist ebenso Teil dieser Erkenntnis.
Die Kunst liegt nun nicht darin bei diesen Patienten auf einmal Dinge zu probieren, die man sonst nie macht, sondern den Patienten prinzipiell so zu behandeln, wie jeden anderen der problemlosen Patienten auch, und dabei im Blick zu haben, dass die Probleme, die dann auftreten, nicht systemimmanent sind, sondern Probleme dieses einen Falles, die man dann auch individuell, auf diesen Fall zugeschnitten, angehen muss. Das kann dann sogar im Einzelfall ein Verfahren sein, das vom Üblichen abweicht.
Genau das machen wir bei diesem Patienten aus Hamburg, bei dem das erzielte Behandlungsergebnis noch nie so gut war wie jetzt, aber eben eine Komplikation aufzeigt, den wir morgen früh um 08.00 beheben werden. Und zwar nicht mit einem großen Schnitt, sondern einer kleinen Detailkorrektur.