Es gibt eine neues Krankheitsbild und das verspricht keine guten Zeiten für CMD Patienten
Wir haben es schon öfter beschrieben und es ist nicht so, dass man sich nun innerlich freuen würde, wenn man einmal mehr die Rückmeldung erhält, dass man recht hatte.
Die Deutsche Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und -therapie (DGFDT) hat eine neue Krankheit erfunden. So muss man es wohl nennen. Und das im Jahr 2019/2020. Genauer gesagt meint man nun eine Bezeichung für ein Erkrankungsbild gefunden zu haben, das bisher unter dem Begriff CMD mit erfasst worden sei.
Das neue Krankheitsbild heißt: "Okklusale Dysästhesie", kurz "OD" genannt.
Hier sehen Sie die entsprechende Leitlinie, ganz frisch auf dem Markt.
Was sich dahinter symptomatisch verbirgt, sollte man nicht ganz von der Hand weisen. In den Erläuterungen steht auch explizit, dass diese "OD "mit einer CMD vergesellschaftet sein kann. Die OD kann sogar die Folge einer okklusionsbezogenen und damit auch einer CMD-Behandlung sein.
Was sicherlich richtig ist, und dies zeigt der alltägliche Umgang mit CMD Patienten, dass diese CMD Patienten eine stark gesteigerte okklusale Sensibilität aufweisen. Dabei spielt mit Sicherheit das Thema Stress, oder nennen wir es einfach einmal "innere Vorspannung" des Patienten, eine relevante Rolle. Das vermag man, bei dem einen oder anderen Patienten, auch jetzt in der sogenannten "Coronakrise" gut nachzuvollziehen.
Genauso gut nachzuvollziehen vermag man aber eben auch, dass es in aller Regel, und sei es eben durch mehrfache feinokklusale Maßnahmen gelingt, die Beschwerdesituation des Patienten zu lindern oder gar zu beseitigen. Genau das also, was bei einem Patienten mit einer okklusalen Dysästhesie nicht gelingt.
Wenn es schon im Rahmen der Nachweisdiagnostik nicht gelingt einen kausalen Zusammenhang zwischen Beschwerden und der Okklusion herzustellen, macht es dann nachvollziehbarerweise erst recht keinen Sinn, bei einem Patienten mit einer OD überhaupt erst okklusionstherapeutisch tätig zu werden. Das ist aber, letzten Endes, alles ein alter Hut, den man schon immer so hat beachten müssen. Ohne eindeutige Diagnose keine Therapie.
Gemacht wurde und wird vermutlich aber auch weiterhin, das eben munter drauf los therapiert wird, ohne dass überhaupt eine klare Diagnose vorliegt. Am einfachsten erkennbar, wenn der Behandler, ohne weitere Diagnostik, einfach anfängt an den Zähnen herumzuschleifen, weil der Patient diese oder jene Angaben macht, die dem Behandler bereits als Diagnose ausreichen. Dabei bedeutet das Vorliegen von Symptomen, und seien sie noch so typisch, eben gerade keine Diagnose!
Wir haben jedenfalls in 30 Berufsjahren noch niemals bei einem Patienten eine funktionstherapeutische Behandlung erbracht, wenn es nicht im Vorwege, im Rahmen der Funktionsdiagnostik gelungen wäre, den Nachweis der Kausalität zwischen Beschwerden und Störungen der Okklusion zu erbringen.
Auch hier muss man korrekterweise sagen, dass es ja praktisch kaum einen Patienten gibt, der keine okklusalen Störungen aufweist, nur bedeutet das eben noch lange nicht, dass der Patient deshalb auch an einer Okklusopathie und damit an einer CMD leidet. Die man wiederum erst nachweisen und nachfolgend dann auch okklusal zu behandlen vermag.
Derartiges gibt es aber in anderen Bereichen auch, in denen Patienten stark erhöhte Sensibilitäten aufweisen,
Was dort aber eben nicht steht, woran man denn nun genau erkennen könnte, wie ein Biss eingestellt sein müsste, damit man wirklich ausschließen kann, dass es sich nicht etwa um ein okklusales Problem, also eine Okklusiopathie handele, sondern um eine Okklusale Dysästhesie, die widerum definitionsgemäß nichts mit der Okklusion zu tun hat.
Dies würde nämlich voraussetzen, dass man genaue und messbare Paramter angibt, wie und mit welchen Genauigkeiten ein Biss überhaupt einzustellen sei. Angabe hierzu in der Stellungnahme? Fehlanzeige.
Viele CMD Patienten werden sich also zukünftig darauf einstellen müssen, dass die "Diagnose": Okklusale Dysästhesie fällt und der Behandler dann erklärt, da könne man zahnärztlich nichts machen, obwohl man sehr wohl etwas tun könnte, wenn man nur lange und präszise genug die Okklusion untersucht und einjustiert.
Möge der Betroffene zum Psychiater gehen.
Zum Glück lässt auch diese neue Leitlinie eine Hintertür offen, nämlich die der sogenannten "Okklusopathie".
Will sagen: Diese sogenannten Okklusopathien wiederum werden auch weiterhin mit den Mitteln behandelt, die wir hier im CMD CENTRUM KIEL seit 30 Jahren erfolgreich durchführen.
Indem wir prüfen, ob sich kausale Zusammenhänge zwischen den beschriebenen Beschwerden der Patienten und erkennbaren Störungen der statischen und dynamischen Okklusion herstellen lassen.
Das Problem, das man hier bei der Etablierung eines neuen Krankheitsbildes zu erkennen vermag wird zukünftig vermutlich darin liegen, dass man im Sinne der Schaffung einer Behandlungsindikation, die dem Behandler Umsatz erbringt, die Okklusopathie anführen wird und wenn therapeutisch dann nicht funktioniert, was eigentlich funktionieren sollte, der Patient dann auf einmal zum Patienten mit einer Okklusalen Dysästhesie gemacht wird.
Ob das nun wirklich so schlau ist, vor allem für den betroffenen Patienten, daran darf man Zweifel haben. Gerade dann, wenn auch noch der Gedanke aufkommt, als der Patient kam, war er ein CMD Patient mit einer Okklusopathie, und als die therapeutische Behandlung abgeschlossen war, hatte der Patient dann auf einmal eine okklusale Dysästhesie und damit ist der Patient dann ein Fall für den Psychiater.
Die Behandlungslogik, die wir favorisieren, wird auch weiterhin die sein, dass wir davon ausgehen, dass es sich bei CMD Patienten regelmäßig um Patienten mit einer reproduzierbar belegbaren Okklusopathie handelt, die aber in aller Regel, und das ist eben deren Schicksal, auch an einer gesteigerten okklusalen Empfindlichkeit, sprich Sensibilität "leiden", die möglicherweise auch lebenslang bestehen bleiben wird. Also der permanenten spezialisierten Nachsorge bedarf.
Die Lösung des Problems besteht also zum einen darin diesen Patienten eine stark gesteigerte okklusale Fehlerfreiheit ihres Bisses zu verschaffen und dabei immer im Hinterkopf zu haben, dass es sich um ein chronisches Beschwerdebild handelt, das möglicherweise lebenslang der engmaschigen Nachkontrolle und eben auch möglicher feinokklusale Nachkorrekturen bedarf.
Die immer wiederkehrende Kritik an diesen Erkrankungsdefinitionen im okklusalen Bereich ist gleichlautend die, dass es in ganz anderen medizinische Bereichen Überempfindlichkeiten gibt, aber Niemand auf die Idee käme, einen Patienten mit einer Überempfindlichkeit auf Nickel, Sonnenstrahlen, Hausstaub etc zu einem Psychiater zu schicken, weil die Übersensibilität angeblich nur so zu behandeln sei.
Bei einem Patienten mit einer Übersensibilität auf Hausstaub würde jeder mit Recht etwas "belegt" schauen, wenn man ihm den Tipp geben würde doch mal einen Psychiater aufzusuchen, denn es müsse ja einen psychischen Grund dafür geben, dass er hochsensibel sei.
Bei einem Patienten mit einer okklusalen Hyper-Sensibilität hingegen soll der Patient zum Psychologen, Psychiater, zu wem auch immer.
Diese Logik ist in sich nicht stimmig und hinterlässt immer wieder aufs Neue den fahlen Beigeschmack, dass wenn der Patient mit der Arbeit des Kieferorthopäden oder Zahnarztes nicht klar kommt, dann müsse es am Patienten und dessen Psyche liegen und nicht etwa daran, dass Kieferorthopäde oder Zahnarzt die Okklusion in einer für den Patienten ungünstigen Art verstellt haben.
Für die Kieferorthopden und Zahnärzte bequem. Für den betroffenen Patienten ein Desaster, denn der hat nicht nur den gesundheitlichen Schaden, sondern erleidet auch noch den Makel, dass es nun an dessen Psyche liegen soll, dass er Beschwerden hat.