Patientin aus Hannover beginnt nach mehrmonatiger Verzögerung der Behandlung durch die Beihilfestelle mit der definitiven Versorgungsphase
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Die Patientin saß schon vor fast genau zwei Monaten auf dem Behandlungsstuhl und zog auf einmal ein Schreiben ihrer Beihilfestelle aus der Jacke.
Nach dem Lesen des Schreibens: Ungläubiges Staunen.
Die Beihilfestelle, die bereits von Beginn an in die gesamte Behandlungsplanung eingeweiht war, wollte auf einmal ein Gutachten erstellen lassen, ob denn die Zähne nun, nach inzwischen fast einem Jahr Versorgung mit Laborgefertigten Dauerprovisorien, auch endgültig versorgt werden müssten.
Es erfolgten mehrere Telefonate mit einer Beihilfemitarbeiterin, die zu keinem verwertbaren Ergebnis führten.
Die Patientin stand vom Stuhl auf und fuhr zurück nach Hannover. Drei Stunden geplante Behandlungszeit fielen aus!
Wer nun glaubt, dass sei ja ein Stück aus dem Tollhaus, denn wenn, dann hätte die Beihilfe den Fall prüfen müssen, bevor die Zähne mit Laborgefertigten Dauerprovisorien versorgt werden, der sei bereits darauf vorbereitet, dass es jetzt erst richtig losgeht.
Jetzt kommt nämlich auf Betreiben der Beihilfestelle eine Jugenzahnärztin ins Spiel und soll ein Gutachten für die Beihilfestelle erstellen. Nun wird sich der interessierte Leser die Augen reiben, wenn er sich zurecht fragt, was denn eine Jugenzahnärztin, die durch die Schulen zieht, um dort Schulkinder zu untersuchen, mit der Frage zu tun haben könnte, ob die Versorgungsphase einer definitiven funktionstherapeutischen Behandlung, nach inzwischen etwa einjähriger Erprobung der Bisslage mit Hilfe Laborgefertigter Dauerprovisorien indiziert ist.
Aber...es kommt noch besser.
Besagte Jugendzahnärztin wundert sich, dass die Patientin noch Restbeschwerden angibt und meint, dass eine Funktionstherapie erst dann indiziert sei, wenn ein Patient vollkommen 100% beschwerdefrei ist.
Dem ist aber nicht so und dazu gibt es glasklare wissenschaftliche Richtlinien und Leitlinien der Chronischen Schmerzmedizin.
Hier wird eine 30% Reduktion der Schmerzen gefordert in der geltenden Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin gibt es gar keine Prozentzahl mehr, die gefordert ist, zur Einleitung einer Therapie. Allein der Patient entscheidet, ob ihm die erzielbare Beschwerdelinderung so viel an Lebensqualität verschafft, dass er bereit ist sich einer Therapie zu unterziehen.
Nun liegt die Sache in diesem Fall so, dass die Patientin sich erstmalig mit einem Beschwerdelevel von 8-10 vorgestellt hatte und bei den letzten Prüfungen in der Versorgungsphase mit Laborgefertigten Dauerprovisorien bei Beschwerdelevel 2-3 lag.
Wie man sieht ein schöner Behandlungserfolg. Aber eben nicht für besagte Jugendzahnärztin, die zwar derartige Behandlungen selbst nicht durchführt und daher nachvollziehbarerweise auch nicht die entsprechenden wissenschaftlichen Leitlinien und Empfehlungen kennt, es dann aber eben doch gutachterlicherseits besser weiß.
Nun sind wir genau an dem Punkt, der einem Gutachter nicht unterlaufen sollte. Wenn dieser nämlich seine eigene Meinung zum Gegenstand eines Gutachtens macht und das offensichtlich in völliger Unkenntnis der wissenschaftlich belegbaren Vorgaben und Empfehlungen.
Es kommt aber noch dicker, lässt sich doch besagte Kollegin dazu hinreißen zu argumentieren, dass es sich ja nun um keine schwierige Behandlung mehr handeln würde, denn schließlich sei die Patientin, dank der einjährigen funktionstherapeutischen Versorgung mit Laborgefertigten Dauerprovisorien inzwischen weitgehend beschwerdefrei.
Heißt also: Weil die bisher durchgeführt funktionstherapeutische Einstellung der Bisslage erfolgreich war, sei der Fall nun einfach und daher nur noch mit einem geringen Honoraransatz abzurechnen.
Heißt wiederum im Umkehrschluss. Hätte die Patientin Schmerzen ohne Ende, weil die bisherige Therapie erfolglos geblieben wäre, wäre die Gutachterin der Auffassung der Fall sei schwierig und der Zahnarzt könne nun den 3,5 fachen Steigerungssatz abrechnen.
Derartigen Fall hatten wir mit der Beihilfestelle Niedersachsen schon einmal vor mehreren Jahren, als ein Sachgebietsleiter hier anrief und folgendermaßen argumentierte:
Er hätte ja mitbekommen, das sei auch ihm bereits zu Ohren gekommen, dass wir hier in Kiel nur schwierige CMD Fälle behandeln würden. Daraus würde er schlussfolgern, dass der schwierige Fall also für uns der Normalfall sei. Wenn das aber so sei, so schlussfolgerte er messerscharf, dann würde das doch bedeuten, dass wir dann auch für den schwierigen Fall nur den 2,3 fachen Gebührensatz abrechnen dürften, denn wie gesagt der schwierige Fall aus Niedersachsen sei ja für uns der Normalfall!
Darauf erwiderte ich, dass ich es interessant fände vor einem deutschen Gericht die Frage klären zu lassen, ob es tatsächlich richtig sein könne, dass ein "normaler" Zahnarzt, für den eine CMD Behandlung eine wirklich schwierige Herausforderung darstellen würde, dann den 3,5 fachen Gebührensatz abrechnen dürfe, den die Beihilfestelle dann auch erstatten würde, weil es für diesen Zahnarzt eben nicht der Normalfall seines Behandlungsspektrums sei, schwierige CMD Patienten aus Niedersachsen zu behandeln, wir im CMD CENTRUM KIEL dann aber nur den 2,3 fachen Gebührensatz abrechnen dürften, weil das ja sozusagen unser täglich Brot sei nur schwierige CMD Patienten zu behandeln.
Soweit bekannt hat der Patient seine korrekte Erstattung der Beihilfe erhalten.
Unabhängig davon hat heute die Versorgung der Unterkieferseitenzähne begonnen. Es mussten erhebliche Umpräparationen erfolgen, um etwas mehr vertikale Höhe für ein besser ausgeprägtes Höckerfissurenrelief in Keramik zu schaffen, weil keramische Kauflächen in einer dickeren Stärke ausgeführt werden müssen , als dies bei Dauerprovisorien aus Kunststoff möglich ist.
Der Fall ist also bisher alles andere als einfach und wird auch jetzt nicht einfacher, auch wenn besagte Amtsärztin das vermutlich selbst glaubt.
Das sind leider alles keine Anekdoten, die den Behandlungsalltag versüßen, sondern sind nichts anderes als Knüppel zwischen die Beine geworfen bei sehr komplexen funktionellen Beschwerdebildern. Behandlungen, die exakt nach den wissenschaftlichen Richtlinien ablaufen und Beihilfesachbearbeitern, die eine gutachterliche Prüfung zu einem Zeitpunkt vornehmen lassen, an dem es gar nichts mehr zu prüfen gibt. Das dann aber mit dem Gutachten einer halbtags beschäftigten Jugendzahnärztin untermauern.
Ganz nebenbei hat die private Restkostenversicherung vor Beginn der Therapie eine Begutachtung durchführen lassen, als deren Ergebnis diese dann die Gesamtbehandlungsplanung ohne jedwede Einschränkung zugesagt hat.
Übrigens mit dem besagten Steigerungssatz, den wir bereits in den Kostenplaungen ansetzen.
Ob die Patientin nun ihren Erstattungsanspruch wird einklagen müssen, bleibt abzuwarten. Vielleicht gelingt es ja noch die Beihilfestelle vor einer rechtlichen Klärung des Sachverhaltes davon zu überzeugen, dass die Ansichten ihrer zahnärztlichen Sachverständigen eher keine erstattungsrechtliche Relevanz haben dürfte.
Es ist einfach nur ärgerlich, was man hier erlebt, sowohl für die Patientin, als eben auch das Behandlungsteam, und daher kann die Kritik nicht ausbleiben, dass sich die Begleitung des Falles durch die Beihilfestelle alles andere als professionell und hilfreich darstellt.
Zustand vor Beginn der heutigen Umsetzung der Versorgungsphase: Umsetzung der über LAborgefertigte Dauerprovisorien eingestellten Bisslage in eine definitive Rekonstruktion mit überwiegend vollkeramischen Restaurationen.